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Erschienen am 21.11.2024:
„Die Zahl der Bundesländer, die einen verpflichtenden Informatikunterricht eingeführt haben, ist gestiegen, doch nur sechs Prozent der Schüler*innen erhalten den empfohlenen Stundenumfang.“
Ergebnisse zum Informatikunterricht im Informatik-Monitor 2024/25
Immer mehr Kinder erhalten Informatikunterricht. Im Schuljahr 2024/25 leben knapp drei Viertel aller Schüler*innen in Bundesländern, in denen Informatik ein Pflichtfach ist, aber nur sechs Prozent von ihnen erhalten ihn in dem von der SWK (Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz) empfohlenen Umfang von sechs Wochenstunden in der Sekundarstufe I. Das zeigt der Informatik-Monitor 2024/25, der im Oktober erschienen ist. Die meisten Kinder und Jugendlichen haben ein bis zwei Stunden Informatikunterricht pro Woche in einem oder maximal zwei Schuljahren.
Die gemeinsame Studie des Stifterverbandes und der Heinz Nixdorf Stiftung „Informatik für alle!“ hat 2022 nachgewiesen, dass Schüler*innen aus den Bundesländern mit Pflichtfach Informatik im bundesweiten Vergleich die besten digitalen und informatischen Kompetenzen haben. Deutlich geringere Kompetenzen weisen Jungen und Mädchen auf, die nur fächerintegrativen, Wahl- oder gar keinen Informatikunterricht haben. Viele Expert*innen fordern einen umfangreichen Informatikunterricht, in dem grundlegende digitale und informatische Schlüsselkompetenzen vermittelt werden. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz empfiehlt sechs Wochenstunden Informatikunterricht über die gesamte Sekundarstufe I, beispielsweise eine Stunde pro Woche von der 5. bis zur 10. Klasse.
Der Informatik-Monitor
Doch nicht in allen Bundesländern wird Informatik verbindlich angeboten. Der Ausbau des Pflichtfachs Informatik verläuft sehr unterschiedlich. Der aktuelle Informatik-Monitor, der im Oktober 2024 gemeinsam vom Stifterverband, der Gesellschaft für Informatik und der Heinz Nixdorf Stiftung herausgegeben wurde, verschafft einen Überblick zum aktuellen Stand der informatischen Bildung in Deutschland und gibt einen detaillierten Einblick in die Situation der einzelnen Bundesländer. Er zeigt auf, wie viele Pflichtstunden Informatikunterricht jedes Bundesland vorschreibt und wie viele Schüler*innen damit erreicht werden. Er gibt Auskunft über die Anzahl der vorhandenen Informatiklehrkräfte, an welchen Hochschulen ein Informatikstudium auf Lehramt absolviert werden kann und welche Weiterbildungsmöglichkeiten es gibt bzw. wie viele Lehrkräfte eine Weiterbildung zur Informatiklehrkraft gemacht haben.
Das Fach Informatik in der Sekundarstufe I
Die positive Nachricht, die aus dem Informatik-Monitor 24/25 hervorgeht, ist, dass die Zahl der Bundesländer, die einen verpflichtenden Informatikunterricht eingeführt haben, im Schuljahr 2024/25 von sieben auf neun gestiegen ist. Damit erhalten fast drei Viertel aller Schüler*innen (71 Prozent) während der gesamten Sekundarstufe I in Deutschland verpflichtenden Informatikunterricht im Umfang von mindestens einer Wochenstunde. 2019/20 waren es nur 33 Prozent.
In den meisten Bundesländern findet der Unterricht im Pflichtfach Informatik jedoch nur in geringem Umfang von ein bis zwei Wochenstunden in einem oder maximal zwei Schuljahren statt. Lediglich sechs Prozent der Schüler*innen in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und dem Saarland erhalten den von der SWK empfohlenen Umfang von sechs Wochenstunden in der Sekundarstufe I. In Thüringen wurde mit dem einsetzenden Schuljahr 2024/25 das Fach „Medienbildung und Informatik“ über alle Schulformen der Sekundarstufe I hinweg neu als Pflichtfach im Gesamtumfang von sechs Wochenstunden in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 eingeführt. Die Umsetzung erfolgt, beginnend mit einer Wochenstunde in Jahrgangsstufe 5, schrittweise bis 2030. Schleswig-Holstein führt Informatik als Pflichtfach im Gesamtumfang von vier Wochenstunden in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 ein.
Sieben Bundesländer bieten bisher keinen für alle Schüler*innen verbindlichen Informatikunterricht an. Bremen und Hamburg planen aber eine Einführung ab 2027. Hamburg wird Informatik als Pflichtfach an allen Schularten im Gesamtumfang von vier Wochenstunden einführen, Bremen im Gesamtumfang von zwei bis vier Wochenstunden.
Lehrkräfte-Weiterbildungen sind erfolgreich
Eine besondere Herausforderung bei der Einführung des Pflichtfachs Informatik ist der Lehrkräftemangel. Um den empfohlenen Informatikunterricht von sechs Wochenstunden in der Sekundarstufe I bundesweit anzubieten, werden mindestens 32.800 Lehrkräfte benötigt. Im vergangenen Schuljahr waren aber nur knapp 10.000 Informatiklehrkräfte beschäftigt, es fehlen also mindestens 22.800 Lehrkräfte. Viele Bundesländer setzen hier vor allem auf die Weiterbildung bereits angestellter Lehrkräfte. Bundesweit machen laut Informatik-Monitor weitergebildete, bereits angestellte Lehrkräfte mit rund 75 Prozent den Großteil der neuen Informatiklehrkräfte aus. Allein im letzten Jahr schlossen bundesweit mindestens 907 Lehrkräfte eine Weiterbildung zur Lehrbefähigung in Informatik für die Sekundarstufe I ab. Gemessen am Anteil aller Lehrkräfte der Sekundarstufe I wurden im Saarland mit 88 Lehrkräften die meisten Personen weitergebildet. In absoluten Zahlen waren es in Nordrhein-Westfalen mit 336 die meisten Lehrkräfte. Neu eingestellte Lehrkräfte machten hingegen nur etwa ein Viertel der neuen Informatiklehrkräfte aus. Problematisch ist auch, dass von den jährlich rund 1.100 Erstsemestern mit Lehramt Informatik nur knapp ein Drittel das Studium abschließt. Im Vergleich zu anderen Lehramtsstudiengängen ist dies eine geringe Quote, so der Informatik-Monitor, auch wenn zwischen 2021 und 2022 ein leichter Anstieg der Absolvierendenzahlen von 318 auf 338 zu verzeichnen ist.
Handlungsempfehlungen der Herausgeber
Um allen Schüler*innen eine aktive Teilhabe in der digitalen Welt zu ermöglichen, empfehlen die Herausgeber des Informatik-Monitors den Bundesländern, die Informatik noch nicht als Pflichtfach aufgenommen haben, es einzuführen und es in allen Bundesländern auf einen Umfang von sechs Wochenstunden zu erweitern. Durch eine Aufstellung der Stundentafeln der verschiedenen Schularten in den Bundesländern schafft der Informatik-Monitor Transparenz darüber, wie einzelne Bundesländer den Informatikunterricht integriert haben, ohne die Gesamtstundenzahl aufzustocken. Zur Bewältigung des Lehrkräftemangels raten sie, die Abbruchquoten im Lehramt Informatik zu reduzieren und für die Weiterbildung gezielt Lehrkräfte aus Nicht-Mangelfächern wie Geschichte, Deutsch oder Sport zu gewinnen. Auch könnten noch mehr Lehrkräfte über den bisher kaum genutzten Quer- und Seiteneinstieg rekrutiert werden. Für Frauen bietet die Gesellschaft für Informatik auf der Homepage „Werde Informatiklehrerin!“ einen Überblick über verschiedene Wege in den Beruf und Beratungsangebote zu Weiterbildungen für bestehende Lehrkräfte.
Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 21.11.2024
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Links zum Thema
- Informatik-Monitor 2024/25
- Ergebnisse zum Informatikunterricht im Informatik-Monitor 2024/25
- Stifterverband und Heinz Nixdorf Stiftung: Informatikunterricht für alle Kinder ab Sekundarstufe I
- SWK: Digitalisierung im Bildungssystem: Handlungsempfehlungen von der Kita bis zur Hochschule
- Werde Informatiklehrerin!
- Deutscher Bildungsserver: Informatik - Arbeitsblätter und weitere Unterrichtsmaterialien für die Sekundarstufen
- Deutscher Bildungsserver: Bildung in der digitalen Welt
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